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Das war der Zwerg Pêrkeo

    1. Das war der Zwerg Perkêo
    im Heidelberger Schloss,
    an Wuchse klein und winzig,
    an Durste riesengroß.
    Man schalt ihn einen Narren,
    er dachte: „Liebe Leut‘,
    [: wär’t ihr wie ich doch alle
    feuchtfröhlich und gescheut!“ :]

    2. Und als das Fass, das große,
    mit Wein bestellet war,
    da ward sein künft’ger Standpunkt
    dem Zwergen völlig klar.
    „Fahr wohl“, sprach er,
    „o Welt, du Katzenjammertal,
    [: was sie auf dir hantieren
    ist wurscht mir und egal!” :]

    3. Um lederne Ideen
    rauft man manch heißen Kampf,
    es ist im Grund doch alles
    nur Nebel, Rauch und Dampf!
    Die Wahrheit liegt im Weine,
    beim Weinschlurf sonder End
    [: erklär‘ ich alter Narre
    fortan mich permanent.“ :]

    4. Perkêo stieg zum Keller;
    er kam nicht mehr herfür
    und sog bei fünfzehn Jahre
    am rhein‘schen Malvasier.
    War’s drunten auch stichdunkel,
    ihm strahlte inneres Licht
    [: und wankten auch die Beine,
    er trank und murrte nicht. :]

    5. Als er zum Fass gestiegen,
    stand’s wohlgefüllt und schwer,
    doch als er kam zu sterben,
    klang’s ausgesaugt und leer.
    Da sprach er fromm:
    „Nun preiset, ihr Leut‘, des Herren Macht,
    [: die in mir schwachem Knirpse
    so Starkes hat vollbracht. :]

    6. Wie es dem kleinen David
    gegen Goliath einst gelang,
    also ich arm Gezwerge
    den Riesen Durst bezwang.
    Nun singt ein de profundis,
    dass das Gewölb‘ erdröhnt,
    [: das Fass steht auf der Neige,
    ich falle sieggekrönt.“ :]

    7. Perkêo ward begraben.
    Um seine Kellergruft
    beim leeren Riesenfasse
    weht heut‘ noch feuchte Luft.
    Und wer als frommer Pilger
    frühmorgens ihr genaht:
    [: Weh‘ ihm! Als Weinvertilger
    durchtobt er nachts die Stadt! :]

     

     

    Autor
    M: Stephan Gruwe (1834-1901)
    T: Josef V. v. Scheffel (1826-1886)